Der Stand der Technik in der Diagnose der Alzheimer-Krankheit wurde bereits im Menü-Punkt „Gegenstand des Projekts“ – „Erläuterung zum Thema“ ausführlich erörtert.

Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Alzheimer-Krankheit eine „System- Krankheit“ ist, bei der mehrere nicht-lineare „Stellschrauben“ zu existieren scheinen, so dass das bisherige wissenschaftliche Narrativ bezüglich Amyloid-β als die Ursache von AD zumindest von seiner behaupteten allgemeinen Bedeutung relativiert werden muss. Folglich ist auch eine (bildgebende) Diagnostik (MRT, PET), die primär auf die Präsenz von Amyloid-β-Plaques fokussiert ist, hinsichtlich der therapeutischen Konsequenzen ihrer Ergebnisse ebenfalls zumindest kritisch zu sehen. Da oftmals die kognitiven Verfallserscheinungen bereits sehr ausgeprägt sind, wenn die bildgebende Diagnostik eingesetzt wird, kann in diesen Fällen nicht mehr von einer Frühdiagnose die Rede sein. Andererseits wurde die gut begründete Hypothese aufgestellt, dass „Vorläufer“ von AD bereits 18 Jahre vor der vollständigen Ausprägung von AD-Symptomen auftreten, die sich demzufolge auch früh im EEG niederschlagen müssten. EEG-Analysen werden allerdings derzeit noch in geringem Umfang zur Diagnose von AD eingesetzt, da hier eine üblicherweise komplexe mathematische Analyse der EEG-Zeitreihen erforderlich ist und die Spezifität bei alleiniger EEG-Diagnose nicht als ausreichend genug betrachtet wurde und wird.

Mithilfe der für den Patienten ohne gesundheitliches Risiko ausführbaren EEG-Analyse sind jedoch verschiedene Stadien von AD, wie auch die Differenzierung zu MCI und deren Übergang zu AD unterscheidbar, was in diesem Projekt genutzt werden soll.

EEG-Analysen bieten große Vorteile, denn sie erlauben eine Differenzierung zwischen z. B. MCI (mild cognitive impairment, „leichte kognitive Beeinträchtigung“ (LKB), unspezifisch welcher Art) und AD, so dass sich das EEG-Signal als vergleichsweise einfacher Bio-Marker für AD anbietet. So ist bekannt[1], dass im Falle des Vorliegens von AD bei den EEG-Zeitreihen im niedrigen Frequenzbereich (delta-, theta-Band, < 15 Hz) eine höhere „power“ gemessen wird, im höheren Frequenzbereich (~ 30-40 Hz, alpha- und beta-Bänder) dagegen eine niedrigere, vor allem in bestimmten Hirnregionen. Genau diese die Präsenz von AD indizierende EEG-Messung soll im Projekt genutzt werden, um in Verbindung mit den Ergebnissen der anderen diagnostischen Teil-Module des Arzt-Moduls (neuropsychologisches Test-Set, Schrift, Sprache, persönlicher Kontext, Riechen) sowohl eine hohe Spezifität als auch Sensitivität bei der Frühdiagnose von AD zu erreichen.

Neben einer Erweiterung des spektralen Merkmalsraums der EEG-Signale, wie er nach Fraga et al.[2] durch die Analyse der Amplituden-Modulation der EEG-Signale in den für AD relevanten Frequenzbändern vorgenommen wurde, ist vor allem auf die Arbeit „EEG oscillations during word processing predict MCI conversion to Alzheimer´s disease“ von A. Mazaheri et al.[3] hinzuweisen. Die grundlegende Aussage der Arbeit von Mazaheri besteht darin, dass während eines Tests, der fragt, ob eine sprachliche Kategorie (z.B. „Art von Holz“) mit der Präsentation eines Bildes (z.B. „Eiche“) übereinstimmt oder nicht, gleichzeitig eine EEG-Untersuchung vorgenommen wird. Hierdurch ist es möglich, unterschiedliche Gruppen (AD, MCI, Convertors von MCI zu AD, Kontrollpersonen) zu unterscheiden. Im IASON-Projekt soll genau dieser Test in Kombination mit den anderen genannten Teil-Modulen genutzt werden, um die Prognose des Übergangs von MCI zu AD (immerhin 40% der MCI-Patienten entwickeln eine AD) quantitativ zu fundieren.

Zu weiteren aktuell relevanten Gegenständen des Stands der Wissenschaft für das Projekt IASON sei auf den Menüpunkt „Aktualisierungen zum Stand der Wissenschaft“ verwiesen.

Auf weitere Entwicklungen wird in der nächsten Version dieser Projektseite im Herbst 2020 verwiesen.

Quellenangaben:

  1. J. Dauwels et al, „Slowing and loss of complexity in Alzheimer’s EEG: two sides of the same coin?”, SAGE-Hindawi Access to Research, International Journal of Alzheimer’s Disease, Volume 2011, Article ID 539621, doi:10.4061/2011/539621, https://www.hindawi.com/journals/ijad/2011/539621/
  2. F. Fraga et al, „Characterizing Alzheimers's disease severity via resting-awake EEG amplitude modulation analysis”, (2013), PLoS ONE https://doi.org/10.1371/journal.pone.0072240
  3. A. Mazaheri et al, “EEG oscillations during word processing predict MCI conversion to Alzheimer's disease”, NeuroImage: Clinical 17 (2018), p. 188-197, Elsevier https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2213158217302504